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Spinnennetz inmitten von Tannenbäumen
12. Oktober 2021

Wunderwerk der Natur

Wenn in den herbstlich kalten Nächten der Nebel aufsteigt, macht er Kunstwerke für uns sichtbar, die eigentlich im Verborgenen bleiben sollen: Spinnennetze

Ein Spinnennetz von großer herbstlicher Schönheit schickte mir in diesen Tagen eine gute Bekannte vom Waldspaziergang am Almsee.

Wilhelm Busch schreibt:

Der schöne Sommer ging von hinnen,
der Herbst, der Reiche, zog ins Land.
Nun weben all die guten Spinnen
so manches feine Festgewand.

Sie weben zu des Tages Feier
mit kunstgeübtem Hinterbein
ganz allerliebste Elfenschleier
als Schmuck für Wiese, Flur und Hain.

Ein Spinnennetz – ein wahres Wunderwerk der Natur! Wie systematisch und routiniert ist die Spinne beim Aufbau des gesamten Radnetzes vorgegangen!

Das Netz ist – als Ganzes – in der Lage, eine Spinne zu tragen, die selbst ein Mehrfaches ihres Netzes wiegt. Ein Spinnennetz ist tragfähig, ist stabil, wird – im vollen Sinn des Wortes – zum Lebensgrund für die Spinne.

Unser Leben ist ein – hoffentlich tragfähiges – Netz mit Fäden von Beziehungen: Wer von uns würde nicht zustimmen, dass unsere Beziehungen wesentlicher Traggrund unseres Lebens sind ...!?

Aber: Wenn ich – bei aller Tragfähigkeit meines Lebensgrundes – durch das Raster zu fallen, durch die Maschen des Netzes zu brechen drohe? Wer trägt mich, wenn ich mich von allen Menschen verlassen fühle? Wer trägt mich, wenn ich den Karren meines Lebens in den Dreck gefahren habe? Wer trägt mich, wenn die Diagnose der Ärzte eine tödliche ist? Wer trägt mich über die letzte Schwelle meines Lebens, den Tod? Wer trägt mich, wenn meine Kräfte nicht mehr ausreichen und ich alt und kraftlos geworden bin?

Der, an dessen seidenen Fäden mein Leben hängt, und ohne den mein Lebensnetz wie ein Kartenhaus über mir zusammenstürzen würde, darf nicht vergessen werden. Gott »hängt« an mir und ich hänge an ihm: Gottes Liebe ist der seidene Überlebensfaden meines Lebens.

Und da denke ich an die Geschichte eines Mannes namens Frederick Nolan. Mark Wheeler erzählt uns diese Geschichte. Frederick Nolan musste während einer Christenverfolgung in Nordafrika vor seinen Feinden fliehen.

Von seinen Verfolgern über Berg und Tal gehetzt, ließ er sich völlig erschöpft in eine Höhle am Wegesrand fallen und dachte, sie würden ihn gleich finden. Den Tod vor Augen, sah er, wie eine Spinne innerhalb weniger Minuten ein prächtiges Netz quer vor den Höhleneingang webte. Die Verfolger kamen heran und vermuteten, Frederick Nolan habe sich in der Höhle versteckt; doch dann sahen sie das Spinnennetz und meinten, niemand hätte hier eindringen können, ohne das Netz zu zerstören. So zogen sie weiter, und Nolan war gerettet. Er kletterte aus seinem Versteck und verkündete später: "Wo Gott ist, wird ein Spinnennetz zu einer Mauer; und wo Gott nicht ist, wird eine Mauer zu einem Spinnennetz."
(Mark Wheeler, Secure in the Storm, Kindred Spirit Magazine, Sommer 1986, Seite 8-10)

P. Josef Stelzer