Ein hörender Zeuge und Bote
Impuls von P. Daniel Sihorsch zum vierten Sonntag im Advent 2025.
Die vierte Kerze am Adventkranz ist entzündet und das 21. Türchen des Adventkalenders geöffnet. Bis Weihnachten ist es nur noch eine kleine Weile, bis zum Geburtsfest Jesu Christ. Bisher waren Maria, die Mutter Jesu sowie Johannes der Täufer, der große Wegbereiter des Herrn, die Begleiter im Advent. Am vierten Adventsonntag wird uns Josef vorgestellt (vgl. Mt 1,18-24), dieser stille Zeuge und Bote – kein einziges Wort ist uns von ihm überliefert. Und doch ist er voller Kraft und Feinfühligkeit, er der Gerechte, ein Mann des Glaubens und der Tat.
Maria war mit Josef verlobt. Das glich damals einem fertigen Ehevertrag, doch lebte die junge Frau noch bei den Eltern, bis der gemeinsame Lebensunterhalt gewährleistet war. Und plötzlich wird Maria schwanger. Josef erfährt es und er weiß: Das Kind ist nicht von mir. Nach menschlichem Ermessen hat Maria Ehebruch begangen. Eine schwere Strafe hätte das für Maria bedeuten können, ja sogar die Steinigung. Denken wir an die Ehebrecherin, die Jesus vor der Steinigung bewahrte und die Ankläger schweigend weggingen. (Vgl. Joh 8,1-11) Auch hier bei Josef zuerst Schweigen und Nachdenken. Sicher war er enttäuscht und gekränkt – seine Zukunftspläne und -hoffnungen, alle zunichte. Doch selbst in diesem Schmerz liegt ihm nichts daran, Maria zu demütigen, Maria der öffentlichen Schande preiszugeben. Er bewahrt weiterhin Respekt und Achtsamkeit ihr gegenüber, die, wie er zu Recht annehmen muss, ja ihn hintergangen hat. So ist er der Gerechte, der spirituell feinfühlig und achtsame Mann, dem es nicht um sein Ego, nicht um seine eigene Ehre geht. Dann träumt Josef. Träume spiegeln wohl oft das Tagesgeschehen, das bewusste Tun wider. Josef war sicher ein treuer Beter, ein Mensch, der tief mit Gott verbunden war. Und so erscheint ihm im Traum ein Engel des Herrn, der ihn über die Umstände der Schwangerschaft Marias aufklärt: „Das Kind ist vom Heiligen Geist.“ Und als Bekräftigung bringt der Engel ein Wort des Propheten Jesaja: „Seht die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären und sie werden ihm den Namen Immanuel – Gott mit uns – geben.“ Josef kennt die hl. Schrift und diesen Text – und ohne lange zu Zögern nimmt er Maria zu sich. Er trifft als Glaubender eine Entscheidung und übernimmt Verantwortung. Er weiß sicher nicht, was das alles bedeutet und auf welche Zukunft sich er da einlässt. Er weiß nur, er darf diesem Gott vertrauen, er meint es gut, auch mit ihm. Josef wurde damit der zweite Mensch, der in das Geheimnis der Menschwerdung Gottes eingeweiht wurde.
Auch wir dürfen auf sein Handeln, auf seine Einstellung schauen. Wie reagieren wir, wenn wir uns ungerecht behandelt fühlen? Recht muss Recht bleiben und auch Ungerechtigkeit wird durch Schweigen nicht zum Recht. Doch ein gutes Maß an Gelassenheit ist angebracht. Wir leben in einer Zeit der Aufgebrachtheit und Empörung. Auch bei Kleinigkeiten wird sofort nach dem Richter gerufen und Menschen werden gerne, heute oft öffentlich auf „social media“ vor-verurteilt und angeprangert. Jeder ist da der Richter über andere. Nachdenken, Überlegen, wie es der hl. Josef getan hat, nicht gleich lauthals schreien, wäre heute oft angebracht. Und vielleicht können wir manches ins Gebet mitnehmen – auch unsere eigenen Kränkungen und Verletzungen. Josef hat gewusst, wo seine Verletzungen wirklich heilen: bei Gott. Hätte er Genugtuung gewonnen, wenn Maria bestraft worden wäre, wenn ihr seelisch, vielleicht sogar körperlich Schaden zugefügt worden wäre? Vielleicht – im ersten Moment; aber geschieht so wirklich Heilung? Vielleicht erfahren wir im Gebet die leise Stimme eines Engels, der uns Mut macht und Zukunft schenkt?
Josef ist ein Mann des Gebetes, der Tat und des Friedens – so gehen wir mit ihm auf das Fest des Friedens zu, auf Weihnachten, wo uns der Friedensfürst geboren wird.
P. Daniel Sihorsch OSB, verfasst für die Bezirksrundschau Kirchdorf