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18. Juli 2018

Orientierung in der digitalen Welt

Podiumsdiskussion und Ökumenischer Gottesdienst zum Abschluss der Sommerakademie. Ein Bericht der Kathpress und die Predigt von Generalvikar Lederhilger zum Nachlesen.

Die Kirchen sind gefordert, in der zunehmenden technologischen Informations- und Meinungsflut "Orientierungshilfe zu leisten und nicht noch mehr Verwirrung zu stiften". Das hat der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Ćilerdžić) am Freitag, 13. Juli 2018 bei der Abschlussdiskussion der diesjährigen Ökumenischen Sommerakademie im Stift Kremsmünster eingemahnt. "Wir müssen der Welt zeigen, dass die Kirchen besorgt sind um die Zukunft der Gesellschaft und das Heil der Menschen." Das sei der gemeinsame ökumenische Auftrag für alle Kirchen.

Der orthodoxe Bischof diskutierte gemeinsam mit dem katholischen Grazer Bischof Wilhelm Krautwaschl und dem niederösterreichischen evangelischen Superintendenten Lars Müller-Marienburg. Die traditionsreiche dreitägige Sommerakademie in dem oberösterreichischen Benediktinerstift stand heuer unter dem Generalthema "Gott und die digitale Revolution".

Bei allen Gefahren sehe er die digitale Vernetzung zugleich als große Chance für die Kirche, noch näher an die Menschen heranzukommen, so Ćilerdžić. Freilich wolle er auch die negativen Erscheinungen nicht geringreden. Neben den vielfältigen Formen von "elektronischer Gewalt" sprach der Bischof auch christliche Internetforen an, die sich zum Teil durch häretische Inhalte oder eine problematische Sprache "auszeichnen würden".

Der steirische Diözesanbischof Krautwaschl zeigte sich u. a. überzeugt, dass es für die Kirche nicht genügen dürfe, "einfach nur im Internet bzw. den sozialen Medien präsent zu sein". Man müsse sich vielmehr intensiv die Frage stellen: "Was will ich damit?" Das gelte auch für ihn als Bischof mit eigenem Facebook-Account: "Dient dieser letztlich nur der Selbstdarstellung oder der Verkündigung?" Ähnlich dem serbisch-orthodoxen Bischof zeigte sich auch Krautwaschl über diverse innerkirchliche Diskussionen in den sozialen Medien besorgt, "die die Menschen nicht zusammenführen, sondern auseinanderbringen und für Spaltungen sorgen könnten".

Landessuperintendent Müller-Marienburg wies wie Bischof Ćilerdžić auf die Chancen der neuen Technologien für die Kirche hin. Freilich: An erster Stelle müsse stets die reale persönliche Begegnung von Mensch zu Mensch stehen. Als Ergänzung bzw. Überbrückung setze er aber auch große Stücke auf Kommunikationsplattformen wie Facebook. Die Interaktion mache es möglich, mit vielen Menschen gemeinsam durchs Leben zu gehen und als Kirche präsent zu sein. Allerdings räumte auch Müller-Marienburg mögliche Gefahren ein: dass etwa nicht mehr sauber zwischen Beruf und Privat getrennt wird oder Menschen auf Facebook das natürliche Maß an Nähe und Distanz nicht mehr finden würden.

Neue Machtzentren

Einen brisanten Befund lieferte bei der Ökumenischen Sommerakademie zuvor die deutsche Medienexpertin Johanna Haberer. Sie konstatierte beispielsweise eine ganz neue Form der Kommunikationsgeschwindigkeit. Es werde online nur mehr reflexartig kommuniziert, zum Nachdenken bzw. zur Reflexion bleibe keine Zeit. Das führe zu vereinfachten, polarisierenden Debatten in den Social Media und zu einer zunehmenden Gereiztheit der Kommunizierenden. Diese Entwicklung sei höchst bedenklich, sowohl für die persönliche Kommunikation wie auch für die politische Debatte.

Auch das Informations- und Wissensmanagement habe sich dadurch grundlegend verändert. Es gelinge durch die neuen Technologien, blitzschnell an Informationen zu kommen, für die man früher Wochen bis Monate gebraucht habe. "Das Denken, das vormals in die Tiefe ging, bleibt an der Oberfläche und geht sozusagen in die Breite."

Die neuen Technologien hätten zudem neue Machtzentren hervorgebracht, die nicht nur Daten sammeln und User bestimmten Konsumententypen zuordnen, sondern die inzwischen auch in der Lage sind, "uns zu manipulieren, unsere politischen Systeme zu unterwandern und maßgeblich die Meinungsbildungsprozesse zu beeinflussen", sagte die Professorin für Christliche Publizistik an der Universität Erlangen-Nürnberg.

Unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit würden von destruktiven Kräften strategisch geplante Lügen verbreitet, um die Gesellschaft zu destabilisieren. Hassmobilisierungen, das Streuen von Gerüchten und persönliche Diffamierungen bräuchten neue gesetzliche Gegenmaßnahmen, aber auch mehr professionellen Journalismus und selbstkritische User. "Wo haben wir noch Glaubwürdigkeitsadressen?", fragte Haber, die in diesem Zusammenhang eine Lanze für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk brach.

Die Expertin plädierte zudem für eine Umstellung des Kommunikationsverhaltens. Die Privatsphäre könne nicht mehr einfach vom Rechtsstaat gewährleistet werden, jeder Einzelne müsse neue Form von Kompetenz und Aufmerksamkeit erwerben. Haber: "Es braucht einen aufgeklärten reflektierten Umgang des Einzelnen mit den neuen Technologien."

Auch für die Kirchen bzw. die Theologie stellten sich eine Reihe von brisanten Fragen: "Wo bleibt etwa das Recht auf Umkehr und einen Neuanfang? Was macht es mit mir, wenn Technologien ein ewiges Gedächtnis haben und ich aus meiner Biografie nicht mehr herauskomme?" Oder: "Wir brauchen ein Menschenrecht auf ein Geheimnis. Was heißt es für unsere Privatsphäre, wenn Facebook uns vermutlich besser kennt als wir uns selbst?"

Ökumenischer Gottesdienst

Der feierliche Schlusspunkt der bereits 20. Sommerakademie war Freitagmittag ein ökumenischer Gottesdienst in der Stiftskirche Kremsmünster, dem Bischof Krautwaschl, Bischof Ćilerdžić und Superintendent Müller-Marienburg vorstanden.

Die Predigt hielt Generalvikar Severin Lederhilger und ist hier als PDF abrufbar.

pdfPredigt von Generalvikar Severin Lederhilder ÖSA 201

Alle Vorträge der dreitägigen Tagung werden unter Ökumenische Sommerakademie 2018: Gott und die digitale Revolution (dioezese-linz.at) zum Nachhören zur Verfügung gestellt.

Text: Kathpress
Fotos: (c) Diözese Linz

pdfÖSA 2018 Folder mit Themen aller Vorträge