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24. Januar 2024

Katholische Liturgie im Kontext der Reformation

Einblicke in den Alltag einer oberösterreichischen Landpfarrei des 16. Jahrhunderts

Im Jänner 2024 ist die Lizenziatsarbeit von P. Anselm Demattio über den Codex 107 der Stiftsbibliothek in der Reihe „Studien zur Pastoraltheologie“ des Friedrich Pustet Verlages (Regensburg) erschienen.

Katholisch oder evangelisch? – Lange Zeit war diese Frage während des 16. Jahrhunderts im heutigen Oberösterreich kaum zu beantworten, denn neben dem dominierenden Luthertum prägten verschiedenste Strömungen das Land. Als Beispiel dieser Vielfalt gewährt die im Jahr 1580 entstandene Quelle „Agenda oder Hanndt Buechlin“ im Codex 107 der Stiftsbibliothek Kremsmünster einen einzigartigen Blick in das konkrete liturgische Leben einer Landpfarrei. Die im historischen Kontext erschlossene Handschrift erweist sich als originelle und pastoral ausgerichtete Interpretation der Diözesantradition Passaus, die der Autor Sebastian Krabler mit zeitgenössischen Texten etwa aus Salzburg ergänzte – und dabei auch den Rückgriff auf reformatorische Anliegen und liturgische Bücher nicht scheute.

P. Anselm Demattio hat für die Abschlussarbeit des Lizenziates in Liturgie an der päpstlichen Hochschule Sant’Anselmo der Benediktiner in Rom diese Handschrift genau unter die Lupe genommen und deren Quellen sowie theologische Aussagen analysiert. „All die Reformversuche und Suchbewegungen, die Abbrüche und Aufbrüche in jenen Jahren machen gerade die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts zu einer spannenden Zeit, die lohnt liturgiewissenschaftlich untersucht zu werden“, so. P. Anselm.

Die Arbeit von P. Anselm wurde noch durch den im August 2023 viel zu früh verstorbenen Herausgeber der Reihe Prof. Dr. Winfried Haunerland (München) in die „Studien zur Pastoralliturgie“ aufgenommen und nun im Friedrich Pustet Verlag Regensburg publiziert. Der Veröffentlichung liegt die geringfügig überarbeitete gleichnamige Lizenziatsarbeit zugrunde: „Agenda oder Hanndt Buechlin. Der Codex 107 der Stiftsbibliothek Kremsmünster als Dokument katholischer Liturgie im Kontext der Reformation“.

Buch Lizenziatsarbeit P. Anselm Cover

Angaben zum Buch:
‚Agenda oder Hanndt Buechlin‘ Der Codex 107 der Stiftsbibliothek Kremsmünster als Dokument katholischer Liturgie im Kontext der Reformation. Edition und Kommentar
Autor: Demattio, Anselm
Verlag Friedrich Pustet Regensburg, erschienen am 05.01.2024
192 Seiten, ISBN 9783791734545, € 38,00
Reihe: Studien zur Pastoralliturgie, Band 50

Auszüge aus dem Vorwort

Das kirchliche Leben des 16. Jahrhunderts war im Land ob der Enns, dem heutigen Oberösterreich, wie in ganz Europa von massiven Umbrüchen gekennzeichnet. Mit der raschen Verbreitung reformatorischer Ideen brachen nicht wenige mittelalterliche Traditionen ab, neue Formen wurden gesucht. Ein komplexes Mit- und Nebeneinander diverser Strömungen entstand, eine Melange aus strengen Lutheranern und Altgläubigen, aus verheirateten katholischen Pfarrern neben protestantischen Prädikanten und einer bunten Mischung liturgischer Riten und Texte, die entweder selbst verfasst oder aus Quellen verschiedenster Herkunft zusammengestellt wurden, je nachdem, welche Richtung der jeweilige Pfarrer oder Prediger vertrat oder woher er stammte.

Die Agende in der unscheinbaren Handschrift des CC 107 der Stiftsbibliothek Kremsmünster ist einer der wenigen erhaltenen Zeugen handschriftlicher Pfarrritualien dieser Übergangszeit. Mit seinen Formularen für die Sakramente und Sakramentalien aus dem Leben einer Pfarrei gewährt der auf 1580 datierte Text einen Einblick in die theologischen und liturgischen Vorstellungen sowie die konkrete pastorale Praxis seines Autors Sebastian Krabler (gest. 1590). Nachdem er in Ingolstadt bei den Jesuiten den Magistergrad erworben hatte, wurde Krabler auf Umwegen durch Beziehungen zum damaligen Abt von Kremsmünster Erhard Voit (gest. 1588) Pfarrer und Dekan in der oberösterreichischen Landgemeinde Steinerkirchen an der Traun, die damals als Stiftspfarre dem Kloster zugehörig war – und heute noch ist. Mittels Edition und Kommentar sollen sein Text sowie Quellen, Hintergründe und Ideen Krablers mit der vorliegenden Arbeit zugänglich gemacht und erschlossen werden.

Das gesamte Vorwort ist in der Leseprobe: LINK ZUR LESEPROBE

Lizentiatsarbeit P. Anselm mit Professoren von SantAnselmo

P. Anselm mit dem Betreuer der Lizenziatsarbeit und Doktorvater Prof. Dr. P. Dominik Jurczak OP (in weiß) sowie Prof. Dr. Markus Tymister (Zweitkorrektur) - beide Professoren am Päpstlichen Liturgischen Institut von Sant'Anselmo.

Derzeit setzt P. Anselm seine Studien für das Doktorat in Sant’Anselmo mit einem Projekt zur Liturgie des Klosters Kremsmünster im 16. Jahrhundert fort und beschäftigt sich dabei insbesondere mit dem CC 103, eine Handschrift unserer Stiftsbibliothek, die vor allem das Stundengebet dieser Zeit ordnet und beschreibt.

Wir gratulieren ihm zum Erfolg seiner Studien und wünschen viel Freude bei den weiteren Forschungen!