Römische Lyrik im Renaissance-Ambiente

Ein ganz großer Höhepunkt der lateinischen Literatur ist die Lyrik des römischen Dichters Horaz (65 – 8 v. Chr.). In einer Reihe von Gedichten denkt er in ausdrucksvollen poetischen Bildern über den Sinn des Daseins nach und stellt die Frage, wie man ein erfülltes Leben gestalten könnte: Wir sollten uns bewusst sein, dass unsere Zeit hier begrenzt ist. Es hat keinen Sinn, maßlos Geld und Besitz anzuhäufen. In schwierigen Situationen sollten wir Gleichmut bewahren, doch wir sollten auch den Boden unter den Füßen nicht verlieren, wenn uns das Glück hold lächelt. Seine Gedanken kleidet er in einladende Metaphern aus der mediterranen Natur: Er entführt uns in eine Welt der plätschernden Quellen, der duftenden Blüten, der in der Sommerhitze Schatten spendenden Bäume, des friedlichen Landlebens, das jahraus, jahrein seinen gewohnten Weg geht, der Hirten und ihrer Herden und des bewussten und maßvollen Genusses. Mit Horaz wanderten die Maturantinnen und Maturanten, begleitet von ihren Lehrern, in ihren abschließenden Lateinstunden geistig durch inspirierendes südliches Ambiente.

Der aus Norditalien stammende Abt Alexander a Lacu (1550-1613, Abt von Kremsmünster seit 1601) hat uns mit dem Guntherdenkmal, einer Verbindung von Grotte, Fischkalter und Renaissance-Lusthaus, dessen Arkaden den Blick auf den Guntherteich lenken, einen idealen Ort zur Lektüre poetischer Texte geschaffen. Bei herrlich frühsommerlichem Wetter tauscht man gerne die gewohnte Umgebung des Klassenzimmers mit der anregenden Atmosphäre, von der man dort umgeben wird …

Wolfgang Leberbauer