Europäisches Kulturerbe, im Lateinunterricht hautnah präsentiert!

„Vere hicce codex millenarius est! – Das hier ist wahrlich ein tausendjähriges Buch!“ Mit diesen Worten zeigte der Historiker und päpstliche Nuntius in Wien, Giuseppe Garampi, der bei der Millenniumsfeier Kremsmünsters im Jahr 1777 das Evangeliar besichtigte, das im Stift Kremsmünster seit etwa 800 n. Chr. aufbewahrt wird, seine Begeisterung über das alte Buch. Nun sind seit damals nochmals fast 250 Jahre vergangen. Unser „Codex Millenarius“ ist eines der kostbarsten Bücher, die weltweit existieren – Grund genug, sich mit diesem europäischen Kulturschatz ersten Ranges zu beschäftigen, wenn man ihn direkt vor Ort hat.

Im Lateinunterricht der 5. Klassen thematisieren wir im ersten Unterrichtsmodul „Gestalten aus der Mythologie und der Geschichte“, wozu natürlich auch die Lektüre von besonders bedeutenden Abschnitten aus dem Alten und Neuen Testament gehört. Wir haben mit der 5A und der 5B in der Vulgata, der lateinischen Bibelübersetzung des Hl. Hieronymus, u. a. eine Reihe von Gleichnissen gelesen, die die wesentlichen Hinweise des Christentums für ein gelingendes Leben beinhalten: Gottesliebe, Nächstenliebe und Barmherzigkeit. Sei es das Gleichnis vom verlorenen Sohn, vom barmherzigen Samariter oder von den Arbeitern im Weinberg – all diese Texte enthalten Anregungen, wie wir unser Leben in Bezug auf unsere Nächsten gestalten sollten, und haben bildende Künstler und Literaten immer wieder zu Texten und Darstellungen angeregt.

P. Altman, der Kustos der Kunstsammlungen des Stiftes, hat uns das Original des Codex Millenarius zugänglich gemacht und in seiner historischen und künstlerischen Bedeutung erläutert. Die Schülerinnen und Schüler haben das Buch aus nächster Nähe betrachtet und anhand einer Kopie des Weihnachtsevangeliums aus der Faksimile-Ausgabe festgestellt, dass die Unziale, die mehr als 1200 Jahre alte Großbuchstabenschrift des Codex, ausgezeichnet zu lesen ist.

Eines der vorrangigen Ziele des Stiftsgymnasiums ist es, unsere Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zu kulturell gebildeten Europäerinnen und Europäern zu begleiten. Es freut uns, dass wir in unmittelbarer Nähe viele Möglichkeiten dazu haben.

Anna Spanos, Wolfgang Leberbauer