Ein gordischer Knoten!

Mit diesen Worten beschreiben österreichische Medien die Situation, die sich nach der Nationalratswahl vom 29. September ergeben hat. Wie wird sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen verhalten? Wird er, wie es Usance war, dem Vorsitzenden der mandatsstärksten Partei, in diesem Fall der FPÖ, den Auftrag zur Bildung einer Bundesregierung geben – trotz seiner vor einiger Zeit geäußerten Skepsis? Welche politischen Kräfte sind überhaupt bereit zur Zusammenarbeit – sei es mit der FPÖ, sei es mit deren Obmann, oder sei es ohne die FPÖ? Eine schwierig zu lösende Situation …

Die Antike ist in vielerlei Hinsicht in unserer Gegenwart lebendig. Manchmal tritt sie ganz plötzlich ins Rampenlicht, wenn Vorgänge und Motive des Mythos, der Geschichte und der Anekdote, die sich zu sprechenden Bildern verfestigt haben, ihre über die Zeiten hin wirksame Symbolkraft entfalten und wie eine Chiffre konkrete Situationen des aktuellen Lebens kennzeichnen – und zwar in Text und Bild: etwa in Schlagzeilen oder Kommentaren von Zeitungen, in politischen Karikaturen, ebenso in der Werbung, auch im alltäglichen Gespräch, sogar in Gedichten und in Werken der bildenden Kunst, die menschliche Probleme aus kritischer Distanz beleuchten.

Das Wissen um diese antiken „Stichwörter der europäischen Kultur“ stellt zweifellos ein gemeinsames Kulturgut Europas dar und kann völkerverbindende Bedeutung haben. Die Kenntnis darüber darf nachfolgenden Generationen nicht verloren gehen. Dies wäre nicht nur ein Verlust an Bildhaftigkeit und an pointenreicher Ausdruckskraft: Man würde unseren Sprachen auch etwas von ihrer historischen Tiefe nehmen. Hier ist bewusst der Plural verwendet: Diese antiken Motive sind Teil aller europäischen Sprachen, so z. B. auch der russischen. Sie gelten – ähnlich wie die Euro- und Cent-Münzen – international und werden wie diese gleichsam „herumgereicht“.

Am 18. Oktober beschäftigte sich im Rahmen des 9. Circulus Humanitatis Cremifanensis (CHC) eine bunte Runde, die von blühender, energiegeladener Jugend bis zum weisen, erfahrungsreichen Alter reichte, beispielhaft mit einigen immer wieder anzutreffenden Stichwörtern aus der Mythologie und deren Hintergrund. Wir gingen den „Tantalusqualen“ auf den Grund, fragten uns, was ein „Prokrustesbett“ ist und warum das so heißt, entkamen mit Theseus anhand des „Ariadnefadens“ aus dem Labyrinth und setzten uns mit Europa auf den Rücken des Stiers, in den sich Zeus verwandelt hatte. Satirische Texte und einige Karikaturen erweiterten unseren Blick.

Deutsche Tageszeitungen haben eine „Hitliste“ dieser antiken Stichwörter erstellt. 40 kommen sehr oft, oft oder immer wieder vor. Bei einem späteren CHC-Treffen wollen wir eine weitere Auswahl treffen. Diesmal standen mythologische Bilder im Mittelpunkt, eventuell sollen dann Stichwörter aus der antiken Geschichte folgen.

Nach dem 90minütigen „Kolloquium“ folgte wieder ein gemütliches Beisammensein in der Stiftsschank. Tagesmenü war allerdings nicht „Pelops“, wie damals im Hause Tantalus, als Zeus & Co. dort zu Gast waren …

Das nächste CHC-Treffen wird am Freitag, 17. Jänner stattfinden. Wer Interesse hat, sendet bitte eine Nachricht an wolfgang.leberbauer@stiftsgymnasium-kremsmuenster.at. Genauere Informationen folgen!

Wolfgang Leberbauer